Wir tun es jeden Tag rund um die Uhr, ohne überhaupt darüber nachzudenken — trotzdem kann es sein, dass du es falsch machst. Das Atmen ist die wichtigste Grundfunktion des menschlichen Körpers und es kann unsere Leistungsfähigkeit beim Training und im Alltag stark beeinflussen.
„Wie meinst du das, ich atme falsch?”
Auch wenn die Atmung in unserem Körper ganz automatisch abläuft, sollten wir sie trotzdem als Fähigkeit betrachten, an der wir arbeiten können. Richtiges Atmen ist wichtig für die Sauerstoffaufnahme, die Kraft in deiner Rumpfmuskulatur und für die Stressbewältigung allgemein.
Wir machen 30.000 Atemzüge am Tag, doch viele Menschen machen es falsch. Sie haben ein zu flaches Atemmuster, was die Leistungsfähigkeit beim Training reduziert und chronischen Stress auf das Nervensystem ausübt. Deshalb muss richtiges Atmen gelernt und geübt werden.
Bei einer zu flachen Atmung wird die sekundäre Atmungsmuskulatur verwendet — dazu gehören die Hals-, Brust-, und Schultermuskeln. Die Nutzung der sekundären Atmungsmuskulatur in Ruhephasen führt oft zu Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich.
Flach atmende Personen berichten von erhöhtem Stress und Unruhe, was daran liegt, dass durch die flache Atmung die Aktivität des sympathischen Nervensystems erhöht wird. Unserem Körper wird fälschlicherweise mitgeteilt, dass wir uns in Gefahr befinden, weshalb er zu unserem Schutz Stresshormone ausschüttet. Das wird auch als „Kampf-oder-Flucht-Reaktion” (Flight-or-Fight Response) bezeichnet.
„Flight-or-Fight” ist eine natürliche Reaktion unseres Körpers auf eine flache Atmung. Sie ist zwar nützlich, wenn wir uns in einer lebensbedrohlichen Situation befinden, aber nicht, wenn wir an unserem Schreibtisch sitzen und von unserem Chef beobachtet werden. In Ruhephasen wollen wir entspannt, gelassen und rational sein, und nicht angespannt, nervös und ängstlich.
Die falsche Atmung schränkt die Menge an Sauerstoff ein, die wir durch unsere Lungen in unser Blut und in die Muskulatur aufnehmen können. Das hemmt unsere aerobe Ausdauer beispielsweise beim Laufen und Rudern.
Wenn du zu flach atmest, kannst du auch deinen Rumpf nicht richtig anspannen. Die Atmungsmuskulatur ist ein wichtiger Teil des Rumpfes, denn sie verleiht ihm Stabilität. Geringe Stabilität im Rumpf führt zu weniger Kraft. Folglich bremst eine flache Atmung deinen Fortschritt bei komplexen Übungen wie Deadlifts, Back Squats und Bent Rows.
Kurz gesagt führt eine flache Atmung zu...
- erhöhtem Stress und Unruhe
- Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich
- verringerter Ausdauer der Muskeln und des Herz-Kreislauf-Systems
- verringerter Rumpfstabilität und Kraft bei komplexen Übungen
„Wie atme ich richtig und was bringt es mir?”
Die korrekte Atemtechnik ist die tiefe Zwerchfellatmung. Wenn wir richtig atmen, nutzen wir die primäre Atmungsmuskulatur: das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskulatur. Das Zwerchfell ist der stärkste Atmungsmuskel, der deinem Rumpf beim Training Stabilität verleiht. Die Zwischenrippenmuskulatur vergrößert deinen Brustkorb, damit du mehr Sauerstoff aufnehmen kannst.
Um in Ruhephasen korrekt zu atmen, solltest du dein Zwerchfell nutzen, um deine Lungen mit Luft zu füllen. Dabei weitet sich dein Bauch sowohl nach vorne als auch nach hinten (360°-Erweiterung). Wenn sich dein Zwerchfell zusammenzieht, weitet die Zwischenrippenmuskulatur deinen Brustkorb, um noch mehr Luft in die Lungen zu pumpen. Zuletzt wird das Einatmen durch leichtes Anheben der Brust abgeschlossen. Während des Ausatmens senkt sich die Brust wieder ab, der Brustkorb schließt sich und das Zwerchfell entspannt sich.
Bei der tiefen Zwerchfellatmung wird dein parasympathisches Nervensystem aktiviert (PNS). Da dieses dafür sorgt, dass unser Körper in den Ruhezustand zurückkehrt und unsere Verdauung in Gang kommt, werden wir ruhig und entspannt, anstatt dass unser Körper Stresshormone ausschüttet — die idealen Bedingungen für Regenerationsphasen. Dadurch entspannen sich auch Nacken und Schultern und außerdem lässt die Anspannung in unserem Oberkörper nach.
Während einer Anstrengung wie beim Training steigert die tiefe Zwerchfellatmung hingegen die Kraft im Rumpf, was uns bei komplexen Übungen zu mehr Kraft verhilft. Außerdem können wir mehr Sauerstoff aufnehmen und die ausreichende Versorgung unserer Muskeln und unseres Herz-Kreislauf-Systems beim Ausdauertraining sicherstellen.
Die tiefe Zwerchfellatmung:
- reduziert Stress und Unruhe
- reduziert Anspannung im Nacken- und Schulterbereich
- erhöht die Ausdauer der Muskeln und des Herz-Kreislauf-Systems
- steigert die Rumpfstabilität und Kraft bei komplexen Übungen
„Wie kann ich die tiefe Zwerchfellatmung üben?”
Eine gute Übung, mit der du die tiefe Zwerchfellatmung erlernen kannst, ist die „90-90-Atmung mit Hip Lift”. Dafür brauchst du nur fünf Minuten Zeit, etwas Platz auf dem Boden, eine Wand und einen Foam Roller oder ein ähnliches Hilfsmittel:
- Leg dich mit dem Rücken auf den Boden und stell deine Füße gegen die Wand.
- Deine Beine und Hüften befinden sich jeweils in einem 90°-Winkel.
- Klemme den Foam Roller zwischen deine Knie und übe leichten Druck darauf aus, um deine Adduktoren zu aktivieren.
- Heb dein Steißbein leicht an, indem du die Wand mit den Füßen nach unten drückst. Dadurch wird die hintere Oberschenkelmuskulatur aktiviert.
- Beginne die Atmung, indem du durch die Nase einatmest.
- Weite dein Zwerchfell, deinen Brustkorb und dann deine Brust.
- Atme fünf Sekunden lang ein.
- Atme durch den Mund aus und stell dir dabei vor, du wolltest einen Luftballon aufblasen.
- Senke deine Brust ab, zieh deinen Brustkorb nach unten und drücke die Luft aus dem Zwerchfell heraus.
- Atme fünf Sekunden lang aus.
- Lass dein Steißbein auf den Boden absinken.
- Wiederhole den Ablauf fünfmal.
Der oben beschriebene Ablauf entspricht einer Runde. Wiederhole die Übung für insgesamt drei Runden. Du kannst sie zum Beispiel vor deinem Warmup ausführen oder in den Cooldown integrieren. Lade jetzt die Freeletics App herunter und setze deine perfektionierte Atemtechnik gleich in die Tat um.